In meiner Abschlussarbeit zum Thema „Immersive Music Video“, ging ich der Frage nach, wie sich die Narration von Musikvideos in den VR-Raum übertragen lässt. Dazu untersuchte ich die besonderen Erzähl-Eigenschaften beider Formate und neue Wege sie zusammen zu führen.
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Durch verschiedene Studien und Artikel erarbeitete ich mir, welche Probleme in der virtuellen Welt unter den HMDs entstehen und versuchte diese zu vermeiden. So wurde sehr auf Staging der Figuren geachtet, insbesondere zu den Zuschauenden und Schnitte vermieden, die in der VR oft zu Orientierungslosigkeit führen. Das Geschehen wurde räumlich nicht zu weit auseinander positioniert, wodurch weniger Kopfbewegungen nötig sind, die häufig zu Übelkeit führen. Sehr dunkle Bereiche in der Umgebung wurden vermieden, da in ihnen oft Unheil vermutet wird, was die Aufmerksamkeit des Publikums zu sehr auf sich zieht. YouTube ist als Plattform für Videostreaming die absolute Nummer eins und sieben von zehn der meistgesehenen Clips sind Musikvideos. Aus diesem Grund entschied ich mich für ein 360°-Video und keine native VR-Anwendung. Dadurch stehen zwar weniger Freiheitsgrade zur Verfügung und man kann sich im Raum nicht frei bewegen, sich nicht setzen oder aufstehen. Dafür kann aber ein weit größeres Publikum erreicht werden. Zur Verfügung standen zwei Songs, zu denen jeweils Ideen und Konzepte entstanden. Die Idee zum Titel „The Love That We Give“ von Keegan McInroe erwies sich als stimmiger und wurde dann ausgearbeitet. Für die Ausarbeitung des Plots orientierte ich mich an Dan Harmons Story Circle. Ich ergänzte die Geschichte des Liedtextes um eine konträre Geschichte auf der Bildebene und vereinte beide am Ende. Im Songtext geht es um die Haltung eines alten Mannes, der Gäste in sein Haus einlädt und behauptet, wenn ich eine satt bekomme, bekomme ich auch zwei satt; wenn ich fünf satt bekomme bekomme ich auch sechs satt. Er versammelt mehr und mehr Gäste um seinen Tisch und stirbt am Ende ganz plötzlich. Dazu erzählt das Video eine an das Märchen „Das Mädchen mit den Schwefelhölzchen“ angelehnte Geschichte, die zeigt, wie das Mädchen versucht Hölzchen zu verkaufen aber niemand ihm helfen möchte. Auf der Flucht vor dem Antagonisten, einem Beamten des Ordnungsamtes, gelangt sie mit einem Freund, den sie kennenlernt zum Haus des Opas und wird eingeladen, sich mit an den Tisch zu setzen. Für die Umsetzung entschied ich mich für eine virtuelle Adaption einer aus dem Theater bekannten Mechanik – der Drehbühne. Sie hat den Vorteil, dass nicht zu viele Kopfbewegungen bei der großen Anzahl von Szenen nötig sind, da sie durch die Drehbewegung vor meinem Auge stattfinden. Diese Drehbewegung hat noch einen weiteren Vorteil: Sie ermöglicht schnelle Bewegungen im Raum, wie das Fahren eines Autos durch Parallaxe-Verschiebungen ohne dass der Kopf zu schnell bewegt werden muss und Übelkeit eintritt. Zudem kann durch die Theatermechanik auf Schnitte gänzlich verzichtet und das dadurch beim Publikum hervorgerufene Gefühl einer Gedächtnislücke vermieden werden. Das hätte so auch durch Transitions und Morphs erreicht werden können, hätte die Welt aber wieder surrealer gemacht. In der Drehbühnen-Welt erfährt man einen konkreten Raum in dem man sich leicht orientieren kann. Das Design der Szene ist an die Wärme des Songs angepasst und sollte eine vertraute Anmutung bekommen. Da ich ein Märchen als Grundlage der visuellen Geschichte nehme, durfte der Look auch etwas kindlicher sein. Ich konstruierte die Szene im Look von Holzspielzeugen die mit Tafelfarbe und Kreide bemalt werden können. Die Figuren erhielten den Look von Peg-Dolls. Der Vorteil dieser Spielzeug-Anmutung war zudem, dass das Skalierungsproblem der VR-Brillen, welches nahe Objekte größer und entfernte kleiner zeigt als nötig, nicht mehr so stark auffiel. Animiert und gemodelt wurde in Blender, die Texturen wurden in Affinity Designer erstellt. https://youtu.be/kAZe30mtE4Y